Heloten


Die dritte große soziale Gruppe in Lakedämon bildeten die Heloten. In Geschichtsbüchern wird gelegentlich darauf abgehoben, dass die Helotie das eigentlich bestimmende Merkmal spartanischer Geschichte und Entwicklung war. Auch wenn das zu pointiert sein dürfte, weist es doch darauf hin, dass hier eine Bevölkerungsgruppe existierte, die sowohl den Bürgern Lakedämons als auch dem damaligen Ausland als eine besondere galt. Relativierend ist hier sogleich anzumerken, dass es auch in anderen Staaten, so in Argos, Elis und Thessalien ähnliche Konstellationen gab. Nur dass man bei Sparta als zeitweiligem Hegemon Griechenlands und großem Gegner Athens um die Vorherrschaft im Lande etwas genauer, vielleicht sogar zu angestrengt, hinschaute.

Die Heloten waren keine Bürger Lakedämons, sondern Staatseigentum und als solches lediglich Staatsangehörige. Sie waren ein Bevölkerungsteil, der die Ländereien der Spartiaten und vermutlich auch dorischer Periöken mit Landlos bewirtschaftete oder zu sonstigen Staatsdiensten herangezogen wurde. Dabei blieben sie an den Besitzer des Landloses gebunden, dem sie persönlich zu dienen hatten. Aber er hatte keine volle Verfügungsgewalt über sie: Er konnte sie weder freilassen noch verkaufen, da sie dem Staat gehörten. Heloten wurde gelegentlich die Möglichkeit eingeräumt, frei zu werden, sei es durch Kriegsdienst oder durch Freikauf, je nachdem was den Behörden angemessen erschien. Allerdings scheint das eher selten möglich gewesen zu sein. Erst ab dem großen Peloponnesischen Krieg häufen sich Nachrichten darüber.

Heloten konnten Familien gründen und reproduzierten sich auf diese Weise. Bis in den großen Peloponnesischen Krieg hineinscheint die Zahl der Heloten trotz gelegentlicher Einbußen wie z.B. im Zusammenhang mit dem großen Helotenaufstand, nach dem die Athener die Überlebenden Aufständischen mit ihrem Anhang in Naupaktos ansiedelten, zugenommen zu haben. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass sich in diesem Zustand ganz gut leben ließ. Andererseits hatten Heloten massive Eingriffe in ihr Leben zu befürchten. Hierfür wird als Beispiel gerne die Krypteia genannt, bei der gelegentlich Heloten auch ohne Grund getötet worden seien – eher als eine Art Ertüchtigung junger Spartiaten. Jedenfalls mussten Heloten auf Feldzügen im Tross und als Waffenburschen dienen.

Die Schicht der Heloten entstand wahrscheinlich dadurch, dass die Spartaner im Kampf besiegte Gegner, deren Land sie sich einverleibten, in diesen Stand drückten. Das bot sich insbesondere deshalb an, als es nie so viele spartanische Bürger gab, dass sie selbst das ganze eroberte Land hätten für sich bebauen können. Von daher war es vorteilhafter, die Vorbesitzer einfach auf ihrem Land zu belassen, sie mit Abgaben zu belegen, die den Siegern ein wohlhabendes Leben ermöglichten und ansonsten weitgehend für sich zu lassen. Dieses Los scheint besonders für die lakonischen Heloten erträglich gewesen zu sein. Es wird kaum von Unruhen, die in Lakonien ausbrachen, berichtet.

Anders die messenischen Heloten. In ihnen war möglicherweise immer das Konzept der eigenen staatlichen Identität und der Freiheit wachgeblieben, zumal nach dem zweiten Messenischen Krieg große Teile der messenischen Führungsschicht mit ihren Gefolgschaften ins nähere und fernere Ausland abwanderten und dort Erinnerungen und sogar Strukturen staatlicher Identität wach hielten. Auch im Helotenaufstand nach dem Erdbeben wurden die auf dem Berg Ithome verschanzten Aufständischen schließlich konzentriert in Naupaktos angesiedelt, wo sie eigene staatliche Strukturen ausprägten und immer wieder mit Aktionen gegen Sparta in Erscheinung traten.

Zusammenfassend lassen sich mehrere soziale Differenzierungen in der Gruppe der Heloten annehmen, die sich danach richteten, ob sie

  • materiellen Wohlstand zur eigenen Verfügung hatten oder nicht,
  • als Feld- oder als Haussklave dienten,
  • als Leibbursche persönlichen Kontakt und ggfs. eine Vertrauensposition bei einem Bürger hatten oder nicht,
  • als Messenier unter der Last der prozentualen Abgabe, die penibel überprüft werden konnte litten oder als Bewohner Lakoniens ein Fixum abzuliefern hatten,
  • Verantwortung als Waffenbursche, Leichtbewaffneter und später sogar Schwerbewaffneter trugen oder nicht.

Diese Möglichkeiten unterschiedlicher Identifikation und Abgrenzungen untereinander dürften es den Bürgern leichter gemacht haben, sich gegenüber der gewaltigen zahlenmäßigen Übermacht der Heloten im Alltag ohne allzu großen Aufwand durchzusetzen. So scheinen es die Spartaner nie für nötig empfunden zu haben, Bürgertruppen fest in Messenien zu stationieren. Es reichte anscheinend, gelegentlich Trupps von Bürgern bewaffnet durch das Gebiet streifen zu lassen und sich ansonsten auf die Kooperation der Periöken zu verlassen.

Die jährlichen Kriegserklärungen Spartas an die Heloten zeigen, dass sie in gewisser Weise immer als Fremde behandelt wurden (die sie zumindest in Messenien natürlich potenziell auch waren), statt sie in irgendeiner Art in den lakedämonischen Staat einzubeziehen. Aber man sah darin eine gute, vielleicht die einzig mögliche Vorgehensweise. Mag sein, dass es den Spartanern moralisch nicht möglich war, sich Griechen als Sklaven zu halten, also musste man einen anderen Status für die Unterlegenen finden. Solange sie so etwas wie Kriegsgefangene blieben, war ihr Status noch vom Sklaven verschieden. Bei den Kriegserklärungen ging es wohl weniger darum, in militärischen Aktionen (oder paramilitärischen Überfällen wie sie für die Krypteia geschildert werden), immer wieder die Heloten zu besiegen oder Aufstände niederzuwerfen, sondern darum, sich moralisch einigermaßen korrekt deren Arbeitsleistung anzueignen. Aber nebenbei erlaubte dieses Vorgehenauch Tötungen ohne vorheriges Rechtsverfahren und darauffolgende religiöse und säkulare Sühne, da sie „im Krieg“ stattfanden.

Teil 4: Weitere Bevölkerungsgruppen und Dynamik zwischen den Schichten: Freigelassene, Angesiedelte, Minderberechtigte