Sizilien


Außenpolitik mit Großgriechenland

Athenatempel in Syrakus (5. Jh.)
Athenatempel in Syrakus (5. Jh.)

Sparta, wiewohl politisch dem trockenen Land zugeneigt, hatte zahlreiche außenpolitische Kontakte mit den griechischen Städten Siziliens, hier insbesondere Syrakus (Syrakosai). Syrakus war auf Sizilien die stärkste und wohlhabendste Polis, die sich zeitweise unter ihren Tyrannen mit Versuchen einer Reichsbildung beschäftigte. Es galt als korinthische Koloniegründung und damit als dorisch. Entlang der Südküste Siziliens reihten sich wie Perlen weitere dorische Städte, während im Nordosten der Insel ionische Pflanzstädte existierten. Den westlichen Teil Siziliens nahm der karthagische Machtbereich ein und zur klassischen Zeit war das griechisch-karthagische Verhältnis außenpolitisches Hauptthema auf der Insel.

Erster greifbarer Kontakt des Staats der Lakedaimonier scheint auf einem Hilferuf des Gelon zu basieren, damaliger Tyrann von Gela und künftiger Tyrann von Syrakus. Er rief um 489 die Spartaner auf, ihm gegen Karthago behilflich zu sein. Ursache waren wohl handelspolitische Gründe, da sich Gela im Wettbewerb mit Karthago und Segesta in die Defensive gedrängt sah. Interessant ist ein überliefertes Argument des Gelon. Er versuchte die Spartaner zu überreden einzugreifen, da sie das Recht hätten, ihren Prinzen Dorieus zu rächen, der ca. 20 Jahre vorher auf der Insel zu Tode kam.

Apollontempel in Syrakus (6. Jh.)
Apollontempel in Syrakus (6. Jh.)

Um 515 führte Dorieus, gegenüber Kleomenes I. unterlegener Thronprätendent, einen Kolonistenzug nach Libyen, wo er am Kynips eine Pflanzstadt (Apoika) gründete, aber von den Karthagern und Nomaden vertrieben wurde. Diese Aktion war kaum eine offizielle, strategische Gesandtschaft Spartas, eher eine staatlich sanktionierte Privataktion, um den Unruhe stiftenden übergangenen Thronanwärter elegant loszuwerden und dabei vielleicht noch einen Gewinn zu machen. Dorieus kehrte nach Sparta zurück und machte sich zwei Jahre später mit einigen Gefährten auf nach Sizilien, wo er am Eryx die Kolonie Herakleia gründete. Er fiel aber bald darauf im Kampf gegen die Karthager, in deren Einflussbereich er abermals eingedrungen war, und die Segestaier, die unmittelbaren Nachbarn, die die Kolonie nicht duldeten.

Sparta lehnte Gelons Ansinnen ab und konzentrierte sich darauf, seine Position im Mutterland zu festigen.

Theater von Syrakus (5. Jh.)
Theater von Syrakus (5. Jh.)

Um 481 wandte sich der Hellenenbund mit seiner „natürlichen“ Führungsmacht Sparta auch an Syrakus, gegen die Persergefahr in Griechenland zu kämpfen. Gelon von Syrakus forderte die Führungsposition für das Gesamtunternehmen, worauf die Griechen des Mutterlandes nicht eingingen. So kam keine Kooperation zustande. Gelon würde seine Streitkräfte ohnehin brauchen, als zeitgleich mit den Persern in Griechenland die Karthager auf Sizilien angriffen und Gelon sie 480 bei Himera in die Schranken weisen konnte.

Möglicherweise wandten sich die Spartaner zu Beginn des großen Peloponnesischen Kriegs ebenso erfolglos mit ihrer Anforderung von Schiffen für den Krieg gegen Athen an die unteritalischen und sizilischen Verbündeten. Allerdings ist möglich, dass diese Anforderung nie ausgesprochen wurde, sondern athenischer Propaganda entsprang, hatte doch Sparta damals noch keinerlei Interesse an und Verwendung für eine größere Flotte. Bemerkenswert ist jedoch, dass sizilische Städte als „Parteigänger“ der Spartaner bezeichnet werden, was häufigere Kontakte voraussetzt.

Belagerung von Syrakus durch Athen und seine Bundesgenossen 415 bis 413.
Belagerung von Syrakus durch Athen und seine Bundesgenossen 415 bis 413.

Als sich Sparta nach der Niederschlagung des Sonderbundes bei Mantineia die Wunden leckte, startete Athen seine verhängnisvolle sizilische Expedition gegen das zu jener Zeit demokratische Syrakus. Dieses ersuchte 415/414 mit Hilfe von Korinth vergeblich um spartanische Waffenhilfe gegen die athenische Belagerung. Sparta wollte – man hatte gerade keinen Krieg mit Athen – eine Gesandtschaft schicken, die zwischen den Parteien vermitteln sollte. Allerdings entsandte man dann angesichts der athenischen Fortschritte im Sommer 414 Gylippos als Strategen, um zumindest irgendwie zu helfen. Nachdem dieser das Blatt zugunsten der Syrakuser wenden konnte, ohne aber die athenische Expedition beenden zu können, schickten die spartanischen Behörden dann 413 eine Truppe aus 600 schwerbewaffneten Heloten und Neodamoden unter einem spartanischen Befehlshaber und ein Kontingent Bundesgenossen nach Sizilien, die bei der Liquidation des athenischen Heeres behilflich waren.

Noch während der Schlussphase des großen Peloponnesischen Kriegs kam der nächste Hilferuf an Sparta. Akragas und Syrakus riefen um 406 nach Unterstützung gegen die Karthager. Sparta brauchte aber alle Kräfte im Endkampf gegen Athen und brachte keine Hilfe. Doch konnte Akragas eine Söldnertruppe anheuern, die unter dem Befehl eines Spartaners stand. Da allerdings nach außen die Spartiaten und die Perioiken gemeinsam als Lakedaimonier auftraten, ist nicht ganz eindeutig zu rekonstruieren, ob der Feldherr Dexippos Spartiat war. In ähnlicher Weise konnte dann Syrakus in der Zeit nach dem Sieg Spartas über den attischen Seebund mehrmals Spartaner gegen die Übergriffe der Karthager in Sold nehmen.

Im unmittelbaren Vorfeld des Königsfriedens von 386 war es dann Syrakus unter Dionysios I., das Sparta unterstützte. Es schickte Schiffe, mit deren Hilfe Sparta Druck auf die ionischen Griechen und Athen ausüben konnte, sich friedensbereit zu zeigen. Als Sparta dann bei Leuktra die Hegemonie verloren hatte und in verzweifelter Situation war, sandte Dionysios (ebenso wie Persien) eine Söldnertruppe, die das völlig in die Defensive geratene Sparta unterstützte.

Danach scheint sich die gegenseitige Unterstützung darauf beschränkt zu haben, dass sizilische Städte spartanische Feldherren bzw. Söldnerführer in Dienst nahmen. War bei der glücklosen Unternehmung des Prinzen Akrotatos um 314 noch eine formelle Anfrage an die spartanischen Behörden erfolgt, so ist bei späteren Fällen davon nichts mehr zu vernehmen, sie scheinen – wie letztlich auch Akrotatos – in eigener Verantwortung gehandelt zu haben. Im letzten Kampf der Syrakuser gegen die Römer wurde anscheinend um 215 der Spartaner Damippos gedungen, der als einer der Söldnerführer des syrakusischen Tyrannen in Aktion trat.

Insgesamt lassen sich also viele Kontakte zwischen sizilischen Städten und Sparta nachweisen, wobei die materielle Unterstützung eher von dem wohlhabenden Syrakus ausging, während Sparta eher Feldherrenwissen lieferte. Dabei haben sich die Sizilier sowohl an den Staat Sparta als auch an spartanische Privatleute gewandt. Tatsächlich hat Sparta nur ein einziges Mal greifbar Hilfe geliefert, das war, als Gylippos nach Syrakus gesandt wurde und im folgenden Jahr ein kleines lakedaimonisches Kontingent aus den untersten Bevölkerungsschichten, den Heloten und Neodamoden, nebst einigen Bundesgenossen geschickt wurde. Das war schon zu einer Zeit, als Sparta sich von seinem agonalen Prinzip der Kriegsführung und der Zurückhaltung gegenüber einer Politik außerhalb der Peloponnes verabschiedet hatte.