Argos


Der dorische Antagonist

Argos stellte die zweite große dorische Kraft auf der Peloponnes dar. Spartas Verhältnis zu ihr lässt sich als kritisch bezeichnen. Der Antagonismus mit Argos stellte lange Zeit die Triebfeder spartanischer Politik, vor allem militärischer, dar.

Argos beherrschte eine für griechische Verhältnisse große Fläche im Nordosten der Peloponnes und hatte eine zahlreiche Einwohnerschaft. Argos gliederte sich ähnlich wie der Staat der Lakedaimonier: Eine Herrenschicht, die Bürger von Argos, brachten die umliegenden Poleis in ihre Kontrolle. Eine Bevölkerungsgruppe (Gymneten), die nicht als dorisch angesehen wurde, bestellte als Staatssklaven die Felder. Allerdings war Argos nicht unumstritten Herr über die Poleis, die es seinem Herrschaftsbereich eingliedern wollte: Mykene, Tiryns, Orneai, Hysiai, Asine, Nauplia, Epidauros, Hermione, Troizen, Aigina und Mases konnten sich mehr oder weniger erfolgreich der Expansion von Argos entziehen. Spätestens seit dem Beginn des 7. Jahrhunderts standen Sparta und Argos einander als Gegner gegenüber – sobald die beiden Poleis eine gemeinsame Grenze aufwiesen, wozu es durch beider Expansion kam.

Argos - Das Theater. Die seitlichen Ränge sind abgerutscht.
Argos – Das Theater. Die seitlichen Ränge sind abgerutscht.

Im ersten massiven Zusammenstoß in der Schlacht bei Hysiai um 669 siegten die Argiver. Noch hatten die Spartaner ihre Phalanx nicht kultiviert, vielleicht lernten sie hier eine Vorform kennen, die sie übernahmen und im Laufe der Zeit perfektionierten. In der Schlacht ging es um die Landschaft Thyreatis am Golf von Argos, die beide Städte beanspruchten. Die spartanische Niederlage führte zu weiteren Schwierigkeiten, möglicherweise nutzten die seit einigen Jahrzehnten gedemütigten Messenier die Chance, gegen die spartanische Einmischung und die auferlegten Abgaben aufzubegehren und der sogenannte 2. Messenische Krieg begann, der Sparta für längere Zeit militärisch band. Die Argiver unterstützen anscheinend die Messenier und auch als diese endgültig unterlegen waren, wirkte es gegen Sparta, indem es z.B. zu Beginn des 6. Jahrhunderts die arkadischen Gegner Spartas unterstützte.

Wohl um die Mitte des 6. Jahrhundert standen sich Sparta und Argos wieder direkt gegenüber. Der Überlieferung nach in einem Massenduell von jeweils 300 ausgewählten Männern, dessen schwer interpretierbares Ende zu einer großen Schlacht führte, die Sparta für sich entschied. Da aber klar war, dass Argos weiterhin ein starker Nachbar und wegen des Verlusts der Thyreatis und des Ostens der Halbinsel Malia unversöhnlicher Feind bleiben würde, begann Sparta, sich mit einem Bündnissystem gegen Argos zu schützen, das dessen Territorium einkreiste und auf die Dauer abschnüren sollte. Das war die Ausrichtung des Bündnisses, das heute als Peloponnesischer Bund bezeichnet wird.

Zu Beginn des 5. Jahrhunderts, kurz vor den Perserkriegen, griff Sparta Argos an, das sich anscheinend territorial wieder auszudehnen begonnen hatte. Um 494 wurden nach einer amphibischen Aktion der Spartaner die Argiver südlich ihrer Stadt bei Sepeia in einer Schlacht besiegt und bei einem anschließenden Gemetzel tausende Argiver Bürger getötet. Die Stadt selbst allerdings wagte der spartanische Feldherr, König Kleomenes I., nicht anzugreifen. Argos versank in einem Bürgerkrieg, als die Gymneten, vergleichbar Spartas Heloten, die Macht an sich rissen und erst 488 wieder von der alten führenden Bürgerschicht verdrängt werden konnten, die im Verein mit den ärmeren Freien Argos eine demokratische Verfassung gaben.

Argos blieb in den folgenden Perserkriegen neutral, was von den anderen Hellenen als perserfreundlich gedeutet wurde. Die Stadt nutzte die Unterstützungsanfrage des Hellenenbundes zu einem diplomatischen Schattenboxen mit Sparta. Es forderte von den Gesandten einen 30-jährigen Vertrag mit Sparta und die Gleichberechtigung im Oberkommando der Hellenen. Die Spartaner unter den Gesandten scheinen angesichts der gesamtgriechischen Lage sogar auf dieses „Angebot“ eingegangen zu sein. Sie boten eine Beratung über das Vertragsangebot und ein Führungsgremium bestehend aus den Königen Spartas und Argos‘ an, also drei Personen, wobei die Spartaner zwei, Argos eine Stimme haben würden. Anscheinend war auf Argos‘ Seite überhaupt nicht davon ausgegangen worden, dass Sparta hier einlenken könnte und so jagte man die Gesandten des Bundes wie die eines Feindes außer Lande. Die folgende Zeit nutzte Argos die Gelegenheit, sich im Windschatten der weltgeschichtlichen Ereignisse die Städte Mykene und Tiryns, die sich nach der Niederlage von Sepeia freimachen konnten, einzuverleiben und hatte nach der Abwehr der persischen Expeditionstruppen durch den Hellenenbund wieder ein sehr umfangreiches Hoplitenreservoir zur Verfügung, das Sparta in qualvoller Nähe gegenüberstand.

Argos - Das Heraion außerhalb der Stadt
Argos – Das Heraion außerhalb der Stadt

Zunächst versuchte nun Sparta mit diplomatischen Mitteln Argos zu isolieren, z.B. dadurch, dass es versuchte, Argos aus der delphischen Amphikionie zu verdrängen und selbst seine Stimme zu erhalten, was nicht gelang. Ungefähr um 470 verbündete sich Argos mit Tegea, was eine gewaltige Opposition darstellte, die Sparta von seinen Verbündeten abschnitt. Wieder musste Sparta mit großem Heer die Opposition zur Raison bringen. Bei Dipaia schlug es die Gegner, zwang Tegea wieder in den Bund und Argos in seine Isolation zurück.

Im Verlauf des ersten peloponnesischen Kriegs brachte Argos im Bund mit seinem neuen Vertragspartner Athen Sparta bei Oinoe eine Niederlage bei, die aber keine weitere Bedeutung hatte. Bald darauf stand Argos jedoch bei Tanagra mit einem Korps von 1000 Mann bei Tanagra auf Seiten der Verlierer. Trotzdem gelang es Argos, Mykene zu zerstören, Tiryns zu entvölkern und sich die Aufsicht über die Nemeischen Spiele von Orneai zu erzwingen. Nachdem dieser Krieg für Argos mit Gewinn eingeschlafen war, schlossen Sparta und Argos 451 einen Friedensvertrag auf 30 Jahre, der von beiden Seiten eingehalten wurde. So blieb Argos im Archidamischen Krieg neutral und hatte Gelegenheit, seine militärische Schlagkraft zu erhöhen. Es bildete 1000 „Auserlesene“ besonders gut (d.h. wohl ständig und auf Staatskosten) an den Waffen aus. Genau zum Ablauf des Vertrags stand Sparta in der schwierigen Situation, mit Athen den für die spartanischen Verbündeten sehr unbefriedigenden Nikiasfrieden geschlossen zu haben und so schloss sich Argos mit Mantineia, Elis und Athen zu einem Sonderbund zusammen, den Sparta erst drei Jahre später und mit großem Heer bei Mantineia zerschlagen konnte. Argos musste sich innenpolitische Eingriffe gefallen lassen: 417 führte eine einheimische Gruppierung mit Spartas Unterstützung eine Oligarchie ein, die aber bald wieder aus eigener Kraft beseitigt wurde. Die Argiver befestigten dann den Zugang ihrer Stadt zum Meer und verbündeten sich wieder mit Athen. Ein erneuter von Sparta unterstützter oligarchischer Umsturz scheiterte, aber die Spartaner konnten immerhin die Befestigungsanlagen zum Meer zerstören und Hysiai erobern. Die Oligarchen aus Argos wurden mit Spartas Unterstützung in Phleius angesiedelt, aber ein Angriff der Argiver führte zu ihrer Umsiedlung nach Orneai, das ebenfalls von Argos angegriffen und zerstört wurde. Dazu unterstützte Argos Athen bei seiner sizilischen Expedition mit Truppen. 414 verwüsteten daraufhin Sparta und seine Symmachoi die Flur Argos‘. Die Athener halfen dem Verbündeten durch Flottenangriffe auf der Peloponnes. Dies war seinerseits der Auslöser des Dekeleischen Kriegs, den Sparta dann 413 mit einem Einfall in Attika und der Besetzung des Orts Dekeleia begann.

Zur Zeit der spartanischen Hegemonie konnte sich Argos etwas aus der Umklammerung befreien. 395 eröffnete es mit Theben zusammen den Korinthischen Krieg durch die Einnahme und Zerstörung der spartanischen Kolonie Herakleia Trachinia in Boiotien. 394 kämpfte Argos mit einem Aufgebot von 7000 Hopliten am Nemeabach und kurz darauf bei Koroneia, beides Niederlagen ohne vernichtende Folgen. Es konnte 389 sogar Korinth dem eigenen Territorium einverleiben, was Sparta trotz der siegreichen Schlacht bei Korinth militärisch nicht revidieren konnte. Die Spartaner fielen fast jährlich in Argos‘ Territorium ein, um es wirtschaftlich zu schädigen. Im Jahr 387 erhöhte Sparta seine Anstrengungen im Kampf gegen Athen und Argos nochmals, sodass die Griechen sich bereit für den Frieden zeigten, den die Spartaner mit den Persern für Griechenland schlossen. In diesem Königsfrieden unter der Losung der Autonomie aller Griechen wurde auch die Union von Argos und Korinth revidiert.

Nach Spartas Niederlage bei Leuktra blieb Argos, das an der Schlacht nicht teilgenommen hatte, nach außen ruhig, Ergebnis eines im Inneren tobenden, berüchtigten Bürgerkriegs, sodass es die Schwäche des ewigen Feindes nicht nutzen konnte. Argos lehnte sich weiterhin an Theben an und kämpfte bei Mantineia 362 auf Seiten der Boiotier. Auch weiterhin entwickelte sich die Lage zugunsten von Argos. Um die Mitte des Jahrhunderts unterstützte Argos erfolgreich Megalopolis gegen spartanische Begehrlichkeiten, bald darauf erhielt es aus Makedonien Zahlungen, damit es seine Rolle als Dämpfer spartanischer Revisionsversuche weiterhin erfolgreich ausüben konnte. Nach dem Zug Philipps durch Lakonien 338 erhielt Argos die seit Jahrhunderten erstrebte Herrschaft über die Kynuria am argolischen Golf und weitere Grenzstreifen zu Lakonien. Auch die Eroberung von Argos durch Sparta 197 blieb Intermezzo. Sie ist nicht mehr Teil des großen archaischen und klassischen Antagonismus zwischen den beiden dorischen Poleis, sondern eher das Geschiebe hellenistischer Kleinfürsten im Windschatten der großen Reiche der damaligen Zeit. So musste Sparta schon nach zwei Jahren hinnehmen, dass es nicht nur den Besitz von Argos, sondern auch aller bislang noch verbliebenen Perioikenpoleis verlor.