Messenien


Der störrische Packesel Spartas

Messenien spielte für Sparta eine gleichzeitig lebenswichtige wie lebensbedrohende Rolle. Dass die Landschaft hier unter den außenpolitischen Kontakten Spartas geführt wird, obwohl sie Jahrhunderte Teil des spartanischen Territoriums darstellte, lässt sich aus den besonderen Beziehungen der Lakedaimonier mit den Messeniern erklären.

Messene - Rekonstruktion der Agora in der von Epameinondas neugegründeten Stadt
Messene – Rekonstruktion der Agora in der von Epameinondas neugegründeten Stadt

Spätestens um die Mitte des 8. Jahrhunderts begannen Adelige aus Lakedaimon mit privaten Plünderungszügen nach Messenien, das sich weniger als gefügtes Staatswesen verstehen ließ als vielmehr das Anspruchsgebiet einheimischer Adeliger. Vermutlich entwickelte sich der erste Messenische Krieg, als es durch das Ausufern des adeligen Schlagabtauschs nötig zu werden schien, reguläre Aufgebote der beiden Landschaftsaufgebote bzw. Bürgerschaften eingreifen zu lassen. In der langjährigen Auseinandersetzung blieben die Spartaner Sieger und beherrschten in der Folge die fruchtbaren Anbaugebiete in der oberen Pamissos-Ebene (Stenyklaros), indem die messenischen Adeligen vertrieben wurden und die messenische Landbevölkerung in loser Abhängigkeit gehalten wurde, die sich vermutlich darin äußerte, dass sie einen Teil ihrer Ernteerträge abzuliefern hatten.

Die Agora von Messene heute
Die Agora von Messene heute

Wohl um die Mitte des 7. Jahrhunderts scheint sich eine lokale Erhebung der messenischen Abhängigen plötzlich auf größere Teile Messeniens ausgeweitet zu haben, vielleicht durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Messenier, die ja verschiedenen Herren dienen mussten. Jedenfalls hatten die Messenier anscheinend ein umfassendes Waffenarsenal und konnten größere Truppen ausrüsten. Ferner bekamen sie Unterstützung von Arkadien, Sikyon und möglicherweise Argos. So zog sich der Krieg lange hin und war für die Spartaner keineswegs ein einfacher Weg. Aus dieser Zeit stammen die Kampflieder des Tyrtaios und seine Hinweise auf die spartanische Verfassung. Nachdem sich die aufständischen Messenier in ihrer letzten Gebirgsbastion auf dem Ithomeberg nicht mehr verteidigen konnten, war das Schicksal Messeniens für Jahrhunderte besiegelt. Sparta verleibte sich die gesamte Landschaft ein, verteilte Ackerboden an spartanische Bürger und drückte die Bevölkerung in den Helotenstatus. Einige Gruppierungen behielten die persönliche Freiheit und wurden in Perioikenstädten zusammengefasst, vielleicht waren es die letzten Verteidiger des Ithomeberges und ihre Familien, die Sparta letztlich nicht mit Waffengewalt bezwungen hatte, womit sie nach spartanischer Vorstellung nicht unfrei werden konnten.

Danach lässt sich für lange Zeit der Fall Messenien als innere Angelegenheit Spartas verstehen, was die Spartaner zu dieser Zeit und auch danach stets betonten. Die Heloten bewirtschafteten die Ländereien der Spartiaten, die Perioiken gingen ihrem freien Leben nach, hatten allerdings keine politische Mitsprache. Von spartanischen Besatzungstruppen in Messenien ist nichts bekannt, wenn Thukydides auch berichtet, dass bei der Besetzung von Pylos durch die Athener im großen Peloponnesischen Krieg der später berühmte Feldherr Brasidas mit einer Truppe in der Nähe stand. Niemals aber scheinen die helotisierten Messenier vergessen zu haben, dass sie einst frei und unabhängig waren. Mehrere Male gärte es in Messenien und nach dem großen Erdbeben von 464 hielt ihre Erhebung die Spartaner jahrelang in Atem und führte in der Folgezeit zu paranoidem Verhalten der Spartaner mit massiven Repressalien, gelegentlichen Tötungsexzessen und unverhältnismäßigen Absicherungsverträgen mit anderen Poleis. Dass auch die Spartaner sich der besonderen staatsrechtlichen Position Messeniens bewusst waren zeigt z.B., dass sie den Heloten jährlich von Neuem den Krieg erklärten. So wurden die Messenier weiterhin zumindest rudimentär als Fall der Außenpolitik behandelt. Ob der überlieferte religiöse Grund einer präventiven Entschuldung von Lakedaimoniern, die einen Heloten erschlagen könnten hier als Erklärung ausreicht, ist mehr als zweifelhaft.

Messene - Teil der antiken Stadtmauer mit dem Arkadischen Tor
Messene – Teil der antiken Stadtmauer mit dem Arkadischen Tor

Schließlich brachte der Kriegszug einer von den Thebanern geführten Koalition im Jahr nach der Schlacht von Leuktra den Messeniern die Freiheit, wenn auch einige Perioikenstädte an der Küste des messenischen Golfs noch weiterhin bei Sparta verblieben. Der Feldherr Epameinondas ließ Teile der Beute aus seinem Plünderungszug durch Lakonien dazu verwenden, am Fuße des symbolträchtigen Ithomeberges ein Terrain mit einer starken, modernen, schön gefügten Stadtmauer umgeben (Abbildung 3), ließ Gebäude für die üblichen Polis-Institutionen errichten (Abbildungen 2 und 3) und holte Messenier aus dem In- und Ausland (Sizilien, Italien, Naupaktos, Libyen usw.) zusammen, damit sie die neue Stadt Messene bevölkern sollten. Er konnte sich sicher sein, dass diese Polis sich mit allen Mitteln Sparta widersetzen würde und so sieht man Messene denn auch stetig auf der Seite der Gegner des seiner Hegemonie verlustig gegangenen Spartas. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts finden wir Messene im Bündnissystem der Makedonen, das Sparta umschloss. Nach dem Zug Philipps durch Lakonien konnte sich Messene die Perioikenstädte an der messenischen Küste einverleiben und war auch in der Folgezeit stark genug, sich der Spartaner zu erwehren, die sich schließlich in ihren Bemühungen, wieder eine politische Rolle zu spielen vorrangig Arkadien zuwandten.

Der Verlust Messeniens bedeutete für Sparta einen massiven Verlust an Kraft und Wohlstand, für viele Spartiaten den wirtschaftlichen Ruin und ihren Abstieg aus der Gruppe der Vollbürger, da sie ihren Klaros verloren hatten. Die Grundlage des spartanischen Sozialgefüges war durch den Verlust Messeniens weitgehend zerstört.