Zunächst zu der sozialen Gruppe, die uns heute als „die Spartaner“ vorschwebt, nämlich die lakedämonischen Vollbürger, d.h. diejenigen, die über alle politischen Bürgerrechte verfügten. Die Spartiaten hatten sämtliche bürgerlichen Rechte und Pflichten und die Zugehörigkeit zu ihrem Kreis war relativ strikt geregelt. Sie mussten „Beiträge“ abliefern, die man gemeinhin als Anteil zu den gemeinsamen Speisegemeinschaften sah, dafür aber sicherlich zu groß waren, sodass ein gewisser Mehrwert für den Staat entstanden sein dürfte. Dazu mussten sie die Kindheit ab sieben Jahren und Jugend bis zum 19. Lebensjahr die umfassende staatliche Erziehung durchlaufen haben. Sicherer Anwärter auf den Vollbürgerstatus war ferner nur, wer Kind eines Spartiaten und seiner legitimen Frau war.
Hatte der junge Mann die Erziehung und auch die Bewährungszeit bis zum 30. Jahr ehrenhaft bestanden und verfügte er über eine hinreichende ökonomische Basis, sprich ein Landlos oder die Aussicht darauf durch Erbschaft, so wurde er Vollbürger. Damit durfte er der Versammlung der Vollbürger beiwohnen und abstimmen und konnte in staatliche Ämter für Erwachsene, z.B. ins Ephorat gewählt werden.
Mit fortschreitender gesellschaftlicher Entwicklung grenzten sich die Vollbürger stärker von den anderen Bürgern ab. Sie taten dies unter Bezugnahme auf ihre Herausgehobenheit gegenüber den anderen bei gleichzeitiger Vorstellung einer Gleichheit untereinander. Diese Idee – später freilich Ideologie – der homoioi, d.h. „Gleichen“ bezog sich darauf, dass sie in ihrer gleichen bürgerlichen Mentalität traditionell aristokratischer Prägung eine Gruppierung besonderer Auszeichnung darstellten und auch nach außen darzustellen hatten.
Diese Art der Abgrenzung wurde aus zwei Gründen als zunehmend notwendig angesehen: Einerseits stand mit sinkender Vollbürgerzahl und zunehmenden militärischen Konflikten ein immer größerer Anteil von Nichtspartiaten im spartanischen Aufgebot. Nach dem Erdbeben von 464 wurden Periöken in die Bürgereinheiten integriert und auch die Minderberechtigten standen Seite an Seite mit den Spartiaten. Andererseits wurde mit der zunehmenden Zahl an Unternehmungen außerhalb der unmittelbaren Reichweite des spartanischen Kosmos die Gefahr größer, dass sich einzelne Spartiaten – insbesondere erfolgreiche Feldherren – von den Werten der spartanischen Gesellschaft entfremdeten und somit persönlich aus dem geschlossenen Umfeld spartanischen Wesens auszubrechen drohten.
Da sich die Gleichheit der Spartiaten auf die gemeinsame Mentalität bezog, beinhaltete sie nicht notwendig eine Gleichheit hinsichtlich Landbesitz, Wohlstand und Macht innerhalb des Staatswesens. Folgerichtig war die Schicht der Spartiaten fast ebenso differenziert wie dir Bürgerschichten anderer landwirtschaftlich ausgerichteter Poleis. So lässt sich in der Schicht der Spartiaten eine Art Aristokratie führender Familien identifizieren, die sich als „Herakliden“, als von Herakles Abstammende, bezeichneten. Sie galten als die Nachfahren der archaischen Adelsschicht Spartas, also Familien, die einst offen die Politik Spartas bestimmten. Auch in klassischer Zeit stellten sie einen erlauchten Kreis dar, der sich – wenn auch nicht völlig exklusiv – von den anderen Vollbürgern durch größeren Wohlstand, den privaten Kontakt zu Adeligen im Ausland, den privilegierten Zugang zu politischen und militärischen Ämtern unterschieden. Sie heirateten bevorzugt untereinander und trieben so die Besitzkonzentration voran, die letztlich Sparta die Basis seiner Stabilität entzog.
Die materielle Sicherheit der Spartiaten durch den Genuss der Klaroserträge führte zur Möglichkeit eines für den antiken griechischen Bürger idealen Lebens. Dazu gehörte neben der Bildung der mannhaften Tugenden vor allem, so viel Zeit wie möglich kontemplativ, also hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit unproduktiv, zu verbringen. Die Vollbürger verfügten über quasi unbeschränkte Zeit, diesem Ideal nachzueifern. Die militärischen Übungen waren in Sparta für jeden Vollbürger zwar verbindlich, aber sie dauerten wohl kaum den ganzen Tag und fanden auch nicht jeden Tag statt. Man genoss das Leben innerhalb der (wenigen, wenn auch einschneidenden) Regeln des spartanischen Kosmos: Man bildete Körper und Geist in Gesprächen, Gesang, Tanz, Sport, Festen, bei der Jagd und auf dem Übungsplatz. Besonders beliebt scheint die Beobachtung und Kommentierung der trainierenden Knaben und Jünglinge gewesen zu sein.
Neben Landlos, Erziehung, ständiger Anwesenheit und Bewährung im Heer gehörten die Abgaben zu den Voraussetzungen des Vollbürgerstatus. Wie sich die Beiträge zu den Gemeinschaftsmählern (syssitia) entwickelt haben, liegt im Dunklen, vermutlich aber ging es dabei zunächst darum, dass der Bürger sich diese Lebensmittellieferungen nach Sparta senden ließ, um dort am politischen Leben teilhaben zu können.
Die Frauen und Töchter der Spartiaten heißen in den alten Quellen unspezifisch Lakedämonierinnen. Die modernen Begriffe Spartiatin und Spartanerin bezeichnen zunächst die Frau und evtl. auch Witwe eines Spartiaten. Welche genauen Voraussetzungen es gab, durch Heirat Mitglied der höchsten Gesellschaftsschicht zu sein, ist nicht bekannt. Vermutlich reichte es aus, Tochter eines Spartiaten und seiner legitimen Frau zu sein. Für die Mädchen der „besseren Familien“ ist bekannt, dass auch sie einer Art staatlicher Erziehung beiwohnten, die zumindest Musik, Tanz, Gesang und Sport umfasste. Aber das war wohl keine Voraussetzung für die Heirat mit einem Spartiaten. Auch werden sie kein Landlos als Mitgift gebraucht zu haben. Diese Fragen dürften sich aber kaum gestellt haben, da die Frauen – wie im übrigen Hellas auch – ohnehin keine offiziellen politischen Rechte hatten. Von daher mag die Herkunft allein ausreichend gewesen sein. Helotinnen oder Periökinnen scheinen keine Anerkennung als Gattin eines Spartiaten gefunden zu haben. Nur eingeschränkt als Mutter eines Sohnes als Stammhalter war vielleicht die Möglichkeit einer gewissen Erhöhung möglich. Aber darüber liegen keine belastbaren Zeugnisse vor.
Teil 2: Die Periöken