Der Zusammenprall der Heere
Die Waffen wurden gereinigt, ein letztes Essen eingenommen, die Mäntel abgelegt, die Rüstungen umgeschnallt, die Arme und Beine eingeölt, der Bart und das Haar frisiert und die Waffen aufgenommen. Dann gingen die Truppen für den Gegner gut sichtbar in Formation.
Die Lakedaimonier nahmen traditionell den rechten, den Angriffsflügel ein. Der König und seine Hippeis nahmen abgesessen eine Position zwischen den Morai des Bürgerheeres ein, wohl zumeist unmittelbar zwischen der ersten und zweiten Mora von rechts. In der Nähe des Königs befanden sich auch seine Zeltgenossen, Seher, Ärzte, Oboisten, zumindest einer der Polemarchen und Boten zur Befehlsweitergabe. Danach kamen die Bundeskontingente und den linken Flügel nahmen die Skiriten ein. Das Bürgerheer stand getrennt in die Morai, innerhalb derer die Enomotarchen den Kern der Struktur zu garantieren hatten. Sie standen vorne in ihrer Einheit und teilten sie gemäß der Anweisung in mehrere Reihen ein. Vorne kamen immer die stärksten Männer zu stehen, damit waren im allgemeinen die 30- bis 49-jährigen gemeint, dahinter die anderen.
Vielleicht schon in Formation wurden die Truppen von ihren Feldherren letztmalig auf die Schlacht eingeschworen, beim Bürgerheer appellierte der König an die bürgerlichen Tugenden.
Zumeist wurde die Schlacht am Nachmittag begonnen. Man rechnete nicht mit einer langen Dauer, sodass man nicht in Zeitnot war. Die Aufstellung dürfte länger gedauert haben, als die Schlacht selbst. Standen beide Heere einander gegenüber, setzten auf den Befehl des Königs hin die Oboisten und Flötenspieler mit ihrer rhythmischen Musik ein, die Polemarchen befahlen den Vormarsch, die Enomotarchen gaben den Befehl weiter, die Walze rollte los. Möglicherweise sangen die Spartaner wie die anderen Kontingente auch noch zu Beginn des Vormarsches den Paian, das Loblied auf Apollon. Langsam, gemessenen Schrittes und im Takt der Flötenklänge bewegte sich das Heer über das Feld, Bäumen und Büschen flexibel ausweichend, indem die Formation kurz geöffnet und sofort wieder geschlossen wurde. Vielleicht aber wurden in den Tagen vor der Schlacht am vorbestimmten Ort schon die störenden Gehölze entfernt, dann war die Gefahr einer Verwirrung der Formation geringer. Hinter den Hopliten gingen die Heloten mit Verbandmaterial, Ersatzwaffen und Wasser, z.T. wohl selbst durch leichte Defensivwaffen geschützt und mit einem Dolch bewaffnet, um überrollte, verwundete Feinde zu töten.
Zwar dürfte es eine Art Grobplanung des Schlachtablaufes gegeben haben, die der König den Polemarchen und Feldherren der Verbündeten erklärt hatte, die eigentliche Arbeit kam aber nun erst auf den König zu: die gesamte Walze aus bis zu 10000 Hopliten zu lenken. Jedes Manöver, jede Schwenkung, jede Geschwindigkeitsänderung musste alle Truppen erreichen. Die anderen Kontingente schafften das zumeist nicht, die Spartaner konnten es durch ihr endloses Training im Frieden schaffen. Trotzdem dürfte der König bemüht gewesen sein, mit so wenigen Kommandos wie möglich auszukommen, da jeder Ruf zu einem wilden, wenn auch disziplinierten Geschrei in der Formation führte, wo Polemarchen und Enomotarchen versuchten, die Truppen so zu bewegen, wie das der König wollte und jedes Mal die Gefahr bestand, dass die Formation aufbrach.
Mit Manövern durch Leichtbewaffnete und Reiter hielt man sich kaum auf, da dies ohnehin als wenig entscheidend und auch unwürdig galt, hier waren eher die Verbündeten gefragt. Auch mit einer Reserve belegte man die eigene Kampfkraft nicht, alle Männer waren im ersten Gewaltstoß dabei.
König und Polemarchen marschierten nicht vor oder hinter, sondern in den Formationen, sie waren stets in Lebensgefahr, aber natürlich auch durch ausgewählte Umstehende besonders geschützt.
Wie nun setzten die spartanischen Feldherren die Phalanx im 5. Jahrhundert und während der Hegemonie ein? Standen sich zwei Phalangen gegenüber, rückten sie möglichst geschlossen vor. Die Spartaner marschierten zu Flötenmusik und tendenziell langsamer als andere Heere. Gesang war üblich und wohl auch bei den Lakedaimoniern gebräuchlich, aber Xenophon erzählt als Augenzeuge der Schlacht bei Koroneia 394 von der großen Ruhe sowohl des Angriffsmarsches der Heere als auch nach dem Zusammenstoß. Manchmal sind die Heere zumindest das letzte Stück gelaufen, was aber eher als Motivationsmaßnahme zu werten ist, denn als realer Vorteil, den die Geschwindigkeit hätte bringen können, da die Gefahr, dass die Reihe dabei aufbrach sehr groß war. Gegen die Perser und andere Heere, die noch in altertümlicher Weise den Fernkampf pflogen, waren Sturmangriffe wohl sinnvoll, um den Schauer der Wurfgeschosse zu unterlaufen und den Gegner in ein Handgemenge zu verwickeln, bevor er sich zurückziehen konnte.
War ein hoher Angehöriger der Königshäuser spartanischer Feldherr, brachte er ein Stadion vor dem Zusammenstoß der Artemis Agrotera ein Ziegenopfer dar, möglicherweise sogar vor der eigenen Front (was aber nicht sehr plausibel klingt).
Die Reihen walzten aufeinander zu, die Männer der vorderen Reihe versuchten mit ihren Stoßlanzen über die Schulter oder von der Hüfte aus, ihr direktes Gegenüber zu treffen, um so eine Lücke in die gegnerische Reihe zu reißen. Dabei drängten die hinteren Reihen nach.
Was passierte dabei? Gab es eine Zeit flexiblen Lanzenkampfs, wie Herodot und Thukydides das schildern oder kam es sofort nach ein, zwei Stichen auf gut Glück zum Zusammenprall, wie Xenophon es schildert? Dieser othismos mit dem nachfolgenden Geschiebe scheint auf jeden Fall das gewesen zu sein, was über Sieg und Niederlage – wenn nicht des gesamten Heeres, so doch der einzelnen opponierenden Kontingente – entschied.
Die von hinten drängenden Reihen lassen es plausibel erscheinen, dass der Zusammenprall sofort erfolgte und die Lanzen diesen eher ermöglichen sollten, als vermeiden. Nach dem Zusammenstoß war der Lanzengebrauch wegen der Enge eingeschränkt. So war das Ziel, den Gegner aus der Formation zu schieben. Die fünfzig Mann tiefen Reihen der Boiotier, die bei Leuktra 371 und Mantineia 362 die Spartaner schlugen, hätten keinerlei Vorteil geboten, wenn es nicht auf das Schieben, sondern den Lanzenkampf angekommen wäre.
Das Schieben erforderte nicht einmal, Gegner zu töten, auch wenn das hilfreich war. Die Spartaner bemühten sich nun, die Reihen des Gegners aufzubrechen. Dass sie das auch dadurch versuchten, in der Enge des Geschiebes einzelne Feinde zu töten, lässt sich möglicherweise an ihren auffallend kurzen und geraden Schwertern ablesen, die auch im Gedränge durch kleine Lücken des gegnerischen Schildwalls hindurchgestoßen werden konnten. Es reichte aber auch, wenn der Schildwall durch das Schieben allein aufbrach, dann konnte aus den hinteren Reihen mit den Lanzen auf den Mann neben der Lücke eingestoßen werden.
Die Spartaner sorgten sich auch schwerpunktmäßig darum, dass ihre eigene Linie nicht aufgebrochen wurde. Dazu diente z.B., dass sie fliehende Feinde nicht verfolgten, weil das die eigene Formation aufgelockert hätte, dass sie langsam und im Takt von Flöten marschierten und dass sie anscheinend exzessiv Bewegungsmanöver in der Formation übten und in hohem Maße beherrschten. Das bürgerliche Ethos der Spartaner, das die Gemeinschaft über den Einzelnen stellte, tat ein übriges und sorgte dafür, dass keiner aus der Reihe tanzte. Der thebanischen schiefen Schlachtordnung hatten die Spartaner aber schließlich nichts mehr entgegenzusetzen; sie war das non-plus-ultra, wenn es darum ging, den Gegner aus seiner Formation zu schieben und dann niederzumachen.